Während die Wahrheit es bisweilen erforderlich machen kann, Menschen zu demaskieren, um zu offenbaren, wer sie wirklich sind, kann es ein Ausdruck von Gnade sein, eine gewisse Verhüllung der Realität zu respektieren, wenn sie Scham, Geheimnis oder Würde eines Menschen schützt. Um zu verstehen, worum es beim biblischen Konzept der Gnade geht, ist es hilfreich, den neutestamentlichen Begriff charis genauer unter die Lupe zu nehmen. Es ist die gleiche Wurzel, von dem unser Ausdruck „charmant" abstammt. Charis hat viel mit Charme zu tun: Das Wort kann körperliche Schönheit bezeichnen oder eine gewinnende Haltung, die Wärme, Annahme und Freude ausstrahlt.
Das biblische Konzept der Gnade steht im Widerspruch zu einem weit verbreiteten Verständnis von Gerechtigkeit. Und in der Tat: Gnade, wie sie in der Bibel beschrieben wird, ist nicht immer gerecht. Warum gibt der Vater eine Party für denjenigen seiner Söhne, der all seinen Reichtum verschwendet hat, anstatt für seinen älteren Sohn, der seinem Vater stets treu gedient hatte (Lk. 15)? Gnade ist ein unverdientes Geschenk. Einige Christen, denen an hohen moralischen Standards gelegen ist, haben Schwierigkeiten mit diesem Prinzip. Sie haben einen hohen Preis dafür bezahlt, Mitglieder in einem – so hofften sie – „exklusiven Club" zu werden, nämlich der Gemeinde. Nun möchten sie, dass dieser Club so exklusiv wie möglich gehalten wird. Sie betrachten Gnade als unfair.
(Lerne mehr über Gnade mit Hilfe von Die 3 Farben der Liebe)